Kurz vor der Wahl: OB-Kandidat:innen zum Ehrenamt

Mer dun et för Kölle – und was tun Sie für uns? – unter diesem Motto haben wir drei Tage vor der Kommunalwahl drei OB-Kandidat:innen zu einer Diskussion mit uns und interessierten Kölner:innen eingeladen. Berivan Aymaz (Bündnis 90/Die Grünen), Torsten Burmester (SPD) und Markus Greitemann (CDU) positionierten sich vor mehr als 100 Gästen zum Stellenwert des Ehrenamts und der Strukturen, die das Ehrenamt fördern. In der 90-minütigen Diskussion wurden verschiedene Themen behandelt und neben den Fragen der Moderatorin Anke Bruns und den Konkretisierungen durch Karolin Hüner, Geschäftsführerin der Kölner Freiwilligen Agentur und Melanie Demor, Geschäftsführerin von Ceno & Die Paten, kamen auch immer wieder Publikumsgäste zu Wort.

Grundsätzliche Haltung

Berivan Aymaz betonte zum Einstieg, dass „das Ehrenamt aus einer Haltung heraus entsteht, die sich mit dem Status Quo nicht zufrieden gibt und Aufgaben nicht dem Staat oder vom Staat finanzierten Akteuren überlassen will. Die Engagierten wollen ganz bewusst eine Autonomie haben, sind aber sehr wohl auf hauptamtliche Strukturen angewiesen“

Markus Greitemann beschrieb das Ehrenamt als Kitt in der Gesellschaft und merkte zeitgleich selbstkritisch an, dass das Engagement immer mehr hauptamtliche Tätigkeiten übernimmt und dies sicher nicht der richtige Weg sei. Torsten Burmester stimmte dem zu: „Das Ehrenamt darf nicht die Spardose für öffentliche Aufgaben werden, das ist ganz klar. Andererseits: Unser Staat ist aufgebaut auf Subsidiarität, also auf das Sich-Einbringen von Menschen in die Gesellschaft, weil wir dem Individualismus etwas entgegensetzen müssen. Deswegen ist das Ehrenamt nötig und wird gebraucht.“

Finanzierung der engagementfördernden Strukturen

Folgerichtig kam sehr schnell die Frage auf, warum engagementfördernde Strukturen nicht langfristig, verlässlich und angepasst an Tarifsteigerungen von der Kommune finanziert werden. „Wenn die hauptamtlichen Mitarbeitenden auf einmal nicht mehr da sind, macht sich dies sofort bei uns bemerkbar.“ sagte eine Freiwillige, „Die Leidtragenden sind wir, wenn z.B. plötzlich eine Ansprechperson fehlt oder wir Wochen auf einen Beratungstermin warten müssen.“  

Von der Moderatorin Anke Bruns auf die „chaotische Haushaltsplanung“ im Jahr 2024 angesprochen, gab es Zustimmung von allen Seiten: „Die Haushaltskürzungen im November 2024, das ist eine absolut untragbare Situation gewesen.“ so Markus Greitemann. Torsten Burmester ergänzte: “ Vor neun Monaten wurde die Axt an den sozialen Frieden in dieser Stadt gelegt.“ Berivan Aymaz hob hervor, dass es den Ehrenamtlern geholfen wäre, wenn sie frühzeitig informiert worden wären. „Dass diese Transparenz und diese Ehrlichkeit nicht stattgefunden hat, ist fatal.“ so Berivan Aymaz.

Mit Blick nach vorne wurden verschiedene Modelle vorgeschlagen. Torsten Burmester und Markus Greitemann plädierten dafür, Budgetklarheit nicht nur für zwei, sondern für vier Haushaltsjahre zu schaffen. Markus Greitemann wollte schon im November 2025, also zwei Monate nach den Kommunalwahlen, mit der nächsten Haushaltsplanung beginnen und dabei nicht nur die Ehrenamtlichen, sondern auch die freien Träger einbeziehen. Torsten Burmeester wies darauf hin, wie wichtig es ist, dass in der Förderungen TVÖD-Tarifsteigerungen enthalten sind: „Das wird im Übrigen hoffentlich auch verpflichtend. Wenn wir in Bund und Land das Tariftreuegesetz einführen wollen, dann ist es unsere Pflicht, dass wir da auch die Träger drin einbeziehen.“

Zwischendurch einige Einblicke aus der Veranstaltung:

Fotos: Tresor Niyonkuru

Priorisierungen im kommunalen Haushalt
Ein Publikumsgast hatte eine klare Vorstellung, wie bei den auch in der Zukunft anstehenden Kürzungen vorgegangen werden sollt: „Ich hatte bei den Kürzungen im November den Eindruck, dass da wirklich mit dem Rasenmäher drangegangen wurde, statt sich mal genau anzusehen: Wo sind eigentlich die sozialen Infrastrukturen, die Impulse setzen und auch eine Hebelwirkung entfalten und dann auch zu priorisieren. Da kann man sich natürlich auch unbeliebt machen, aber ich finde, das müsste man auch mit der ganzen Stadtgesellschaft offen und ehrlich besprechen.“

Berivan Aymaz nahm dies gerne auf. Für sie hat die Oberbürgermeisterin die Priorisierung in der Hand: „Sie muss dann vielleicht auch mal die Rolle übernehmen, die weh tut,  und sagen: Genau in dieser Zeit, wo unsere Demokratie so unter Druck steht, wo Flüchtlingsrechte immer mehr ausgehöhlt werden, wo die Kommunen immer weniger Geld für solche Projekte bekommen, wo auf der Bundesebene Mittel für die Demokratiebildung massiv gekürzt werden, gehe ich voran und mache einen Gegenentwurf aus Köln nach Berlin und sage: Gerade deshalb werden wir in diesen Bereichen die Kürzungen nicht vollziehen und weggehen von einem Gießkannenprinzip.“

Markus Greitemann wies darauf hin, dass in Zukunft die haushaltspolitischen Belastungen durch die aktuellen Bauprojekte, durch Abschreibungen und Mieten ab 2029/30 massiv steigen werden und daher die Kultur-, Bildungs- und Verkehrsbauprojekte priorisiert werden müssen. Großen Applaus gab es für einen Vorschlag aus dem Publikum, dass im Sinne des Gemeinwohls dann langfristige Tunnelbauprojekte wie bei der Ost-West-Achse nicht unterstützt werden sollten.

Anerkennung und Partizipation

Diskutiert wurde auch, wie das Engagement anerkannt werden kann. Dafür meldeten sich viele unterschiedliche Stimmen aus dem Publikum. Eine Engagierte empfand eine gute hauptamtliche Betreuung als die beste Anerkennung. „Wenn man gut beraten, begleitet, fortgebildet u.s.w. wird, ist das mit Geld gar nicht aufzuwiegen. Zudem ist es ja ein Ehrenamt, das heißt, man macht es ja ausdrücklich nicht in erster Linie für Geld oder eine geldwerte Gegenleistung. Von daher gehört das Geld in die Hände der Freiwilligenagenturen, nicht der Ehrenamtler.“ Auch Partizipation und Mitentscheiden wurde hochgehoben: „Eine wichtige Form der Anerkennung ist es, gehört zu werden und auf Augenhöhe mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Wenn z.B., die Arbeitskreise in den Bezirksvertretungen sich öffnen würden für engagierte Bürger, das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.“ Torsten Burmester nahm dieses Anliegen auf: „Es geht immer um das Thema Partizipation und wie ernst nimmt man gegenseitig die Interessen. Wenn wir Ehrenamtliche als Beratungsgremium nutzen, dann müssen sie eine verbindliche Stimme haben. Wenn man ehrenamtliche Gremien nur als Alibi benutzt, ist es das falsche Verständnis.

Zum Abschluss ein Dankeschön

Berivan Aymaz fasste den letzten gemeinsamen Auftritt dieser drei OB-Kandidat:innen vor der Kommunalwahl am Sonntag mit motivieren Worten zusammen: „Ich finde es sehr schön, dass die letzte gemeinsame Wahlkampfveranstaltung sich dem Ehrenamt gewidmet hat, weil wir im Wahlkampf sonst ja sehr fokussiert auf die Probleme diskutieren. Ich finde, dass wir hier und heute, mit diesen Akteur:innen, auch noch mal sehr deutlich das Potential sehen, das in unserer Stadt steckt und dieses Potential gehört von der Oberbürgermeisterin oder dem Oberbürgermeister mitgenommen! Das ist die Stärke und vor allen Dingen:  Hier sitzt die Keimzelle unserer Demokratie. Die gilt es zu verteidigen.“

Eine Veranstaltung von Kölner Freiwilligen Agentur e.V., Ceno & Die Paten e.V. und Melanchton-Akademie. 

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