Im zurückliegenden Jahr gab es in Köln nicht nur eine Vielzahl von städtischen Beteiligungsverfahren und stadtgesellschaftlicher Initiativen. In der Beteiligungskultur machte sich 2025 auch der bundesweite Trend zu offenen Dialogformaten bemerkbar, der im Folgenden am Beispiel des Formats „Sprechen und Zuhören“ beleuchtet und reflektiert werden soll.
Offene Dialogformate setzen keine politischen Vorkenntnisse voraus und sind daher grundsätzlich niedrigschwellig. So auch Formate wie „Eine Stunde reden – Gespräche und Ideen für deine Stadt„, ein Demokratieprojekt der Sparkasse KölnBonn in Zusammenarbeit mit dem Bonn Institute, oder die Reihe „Sprechen und Zuhören – Demokratie (er)leben“ des bundesweit tätigen Vereins „Mehr Demokratie e. V.“, die sowohl in Präsenz als auch online stattfinden.
Einfach „Sprechen und Zuhören“
„Sprechen und zuhören“ fand 2025 unter Beteiligung des Friedensbildungswerks und des Katholischen Bildungswerks gleich an mehreren Terminen und zu verschiedenen großen Fragen unserer Zeit (Polarisierung, Demokratie, Verteidigung etc.) in Köln statt. „Mehr Demokratie“ zufolge bietet das mittlerweile in mehreren Bundesländern praktizierte Dialogformat ein Angebot zum „hierarchiefreien Austausch“ von persönlichen Sichtweisen zu bestimmten politischen Fragen. Dabei geht es bewusst nicht um die Debatte, sondern um Zuhören und Gehört werden.
Damit reagiert der Verein „Mehr Demokratie“, der seinen Ursprung in der politischen Bewegung für mehr direkte Demokratie hat, nicht nur auf den spürbaren Bedeutungsverlust von klassischen politischen Austausch- und Dialogmöglichkeiten, die seit jeher vom klassischen Vereinswesen oder auch von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen getragen worden waren. Auch die in der Gesellschaft verbreitete Wahrnehmung, nicht gehört oder gar ignoriert zu werden, spielt in der Konzeption eine wesentliche Rolle.
Das Format ist denkbar einfach: Die Menschen sprechen in Kleingruppen von 3-4 Personen abwechselnd über ihre Sicht auf eine vorgegebene Frage. Unterbrechen darf dabei niemand, sodass alle Teilnehmer die exakt gleiche Redezeit haben. Zudem sind die Personen dazu angehalten, möglichst wenig über Andere zu reden, sondern nur über ihre eigene Position und Gefühle zu sprechen.
Zielsetzung des Formats ist laut „Mehr Demokratie“, neben gegenseitiger Empathie und Respekt auch „Gelassenheit, Entspannung und Zuversicht“ bei den teilnehmenden Menschen zu erzeugen, wie es auf der vereinseigenen Webseite lautet. Darin liegt den Initiatoren zufolge der Nutzen für die demokratische Diskussionskultur, weil der niedrigschwellige Austausch „Vorarbeit für sachliche und inhaltliche politische Arbeit“ sein kann.
Wichtiger Impuls, aber Herausforderungen bleiben
Essenziell für lokales politisches Engagement ist nicht nur das Vertrauen in demokratische Institutionen. Es ist auch an das Gefühl geknüpft, gehört und nicht übergangen zu werden. Insofern ist das „Sprechen und Zuhören“ ein wertvolles demokratisches Instrument, weil es Menschen ermöglicht, ihre (politischen) Gefühle zur Sprache zu bringen, dabei auch noch von mehreren Menschen gehört und ggf. auch verstanden, sich aber nicht rechtfertigen und überzeugen lassen zu müssen.
Eine transgenerationelle und soziale Diversität abzubilden, bleibt jedoch eine zentrale Herausforderung der Reihe. Entsprechende Kooperationen mit Schulen, Ausbildungsstätten, Universitäten, Arbeitgebern und sozialen Trägern erscheinen daher unabdingbar, um das große Potenzial des Formats auszuschöpfen. Ähnlich wie im digitalen Raum erhöhen Austauschmöglichkeiten wie „Sprechen und Zuhören“ ihren demokratischen Wert vor allem dann, wenn sie möglichst repräsentativ besetzt sind. Wenn statt einer in sozialer Herkunft möglichst diversen Gruppe leidglich eine weitgehend homogene, sich gegenseitig bestätigende Gefühlsgemeinschaft zusammenfindet, ist mit Blick auf das erstrebenswerte Ziel einer Perspektivenvielfalt und politischen Horizonterweiterung hingegen wenig erreicht.
Zwar vermögen Veranstaltungsreihen wie „Sprechen und Zuhören“ als flankierende Maßnahmen im demokratischen Miteinander, z. B. die Fähigkeit des Zuhörens oder Empathie zu fördern. Mit Blick auf zahlreiche soziologische Untersuchungen der letzten Jahre, die entgegen der oftmals beklagten tiefgreifenden Spaltung der Gesellschaft eher kommunikative und emotionale Polarisierungen sowie relativ große Übereinstimmungen in politischen Einstellungen konstatieren, erscheinen aber Zweifel berechtigt, inwieweit weitere, in erster Linie auf die Ich-Perspektive ausgerichtete Kommunikationsformen den Trend einer emotionalen Polarisierung nachhaltig abmildern oder umkehren können.
Die Artikulation und Repräsentation von Gefühlen ist und bleibt in einer Demokratie zwar wichtig. Mindestens genauso wichtig, wenn nicht gar entscheidend bleibt aber das Erlenen von Debattieren und demokratischem Streiten in einer dafür prädestinierten Diskursarena, wie es „Sprechen und Zuhören“ durchaus sein kann. Dabei schließen sich Empathieförderung und der Austausch in Form von Diskussion bei entsprechender fachlicher Begleitung und Moderation nicht grundsätzlich aus. Das bedeutet übrigens nicht, in das gegenseitige „Missionieren“ zurückzufallen. Damit ist gemeint, eine demokratische Verständigung nicht ohne, sondern über eine (sachliche) Diskussion erreichen zu können.
Der Bereich Politische Partizipation wird den Trend der offenen Dialogformate im kommenden Jahr weiter beobachten und über Folgeveranstaltungen und neue Formate informieren.
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